Läuft gerade: BONES – „RestInPeace“
Nachdem ich bereits im April meine Festanstellung gegen die Selbständigkeit getauscht habe, steht nun der nächste große Schritt an: Ich räume mein WG-Zimmer in Berlin und ziehe über den Sommer zu meinen Eltern in die Brandenburger Natur, Sommer-Exil quasi. Ausgeruht und um viele Erfahrungen reicher, geht es denn im Herbst weiter, wer weiß wohin.
Was eignet sich besser diesen neuen Lebensabschnitt zu begrüßen, als mit einem große Feuerwerk der Emotionen. Schon bevor sich meine beruflichen Planungen zur Jahreswende 15/16 finalisierten, plante ich das Fundament für einen erlebnisreichen Sommer mit Festivalbesuchen zu schaffen. Das Her Damit Festival in Prora auf Rügen, sollte Ende Mai die erste kleine Reise werden.
Die Veranstaltung gehört zu einer Reihe alternativer Elektronik-Festivals, die ich dieses Jahr besuchen werde. Alternativ heißt in dem Fall, dass das Festival ganz oder größtenteils auf Sponsoren verzichtet, es verschiedene Musikrichtungen auf mehreren Bühnen parallel zur Auswahl gibt, die Festivals eine grundsätzlich eher antikapitalistische bis rote Einstellung vertreten und eine liberale Drogenpolitik auf dem Festivalgelände gefahren wird. Quasi ein kleiner Kosmos in sich, was meiner Meinung nach zu gewissen Vorteilen gegenüber kommerzialisierten Großveranstaltungen, wie bekannten deutschen Festivals wie zB „Rock Am Ring“, „Hurricane“ oder „With Full Force“, führt:
1. Die Besucher vor Ort sind meist sehr weltoffen eingestellt und fast immer hilfsbereit, freundlich und rücksichtsvoll. Ich habe mich noch nie unwohl oder fremd auf solchen Festivals gefühlt.
2. Man unterstützt eine nachhaltig kulturelle Entwicklung fernab des Mainstreams. Künstler machen noch Kunst. Ob Bands, DJs, Projektionskünstler, Redner bei Vorträgen, man spürt deutlich die Liebe, welche die Menschen vor Ort in ihre Sache stecken.
3. Es ist kein Geheimnis, dass auf Elektro-Festivals eine Vielzahl der Besucher mit diversen Drogen im Blut durch Wald und Wiese tanzen. Wo man nun eine Armee von Druffis erwarten würde, die sich selbst nicht unter Kontrolle haben, die ganze Zeit Nasenbluten haben und todesverschallert durch die Gegen stolpern, so findet man eher einen in sich geschlossenen Kreis Menschen vor, die ein friedfertiges Miteinander pflegen und für die während des Festivals eine kleine Parallelgesellschaft entsteht.
Es liegt mir hier fern den Konsum von, in Deutschland verbotenen, Rauschmittel zu glorifizieren. Selbstverständlich sieht man auch auf denen von mir so hoch gelobten alternativen Festivals, blutende Nasen durch zu viel Koks, kotzende Menschen und Leute die sich auf ihrem Trip in komplett anderen Universen bewegen. Ausnahmen bestätigen die Regel, klar. Nach meinen Eindrücken, die ich bisher auf Festivals verschiedener Art machen konnte, haben die Besucher von Fusion, Plötzlich am Meer und Co. sich aber weitaus besser unter Kontrolle, als auf so manch anderen Festivals. Wenn es mal Jemand echt schlecht geht, dann eilt in der Regel ein Mitmensch schnell herbei und der allgemeine Umgangston ist der Unterschied wie Tag und Nacht im Vergleich zu „Mainstream-Festivals“.
Das Her Damit Festival ist hier keine Ausnahme. So stelle man sich diese heile Welt vor, wie sie jährlich einen kleinen Teil, des von den Nazis nie vollendeten KdF-Seebad Rügen behaust und diesem gespenstischen Ort ein neues Leben einhaucht.
Ein Gebäude, welches 1936 angefangen wurde zu bauen, bei Fertigstellung ca. 4,5 km in der Länge messen sollte und 20.000 Deutschen gleichzeitig, jeglichen Zweifel an der Politik der Nationalsozialisten rauben sollte. Neben dem Flughafen Berlin Tempelhof, eines der für mich beeindruckendsten Monumente des nationalsozialistischen Größenwahns und der Architektur des 3. Reichs. Ein Ort der, in seiner Gesamtheit und schieren Größe, bis in alle Ewigkeit ein Denkmal seiner Zeit verbleiben sollte. Ein Ort der, historisch aufgearbeitet mit einem örtlichen Museum, für Führungen bereitstehen muss, um möglichst vielen Menschen heute und Morgen Lehre und Warnung zu gleich zu sein. Ein Ort in dem ich es moralisch absolut verwerflich finde sich eine Wohnung zu mieten/kaufen und dort sein Leben zu führen.
Doch genau dies geschieht. Aus dem Gebäude, dass unter den Nazis zur Gleichschaltung der eigenen Bürger gedacht war, wird nun ein Spekulationsobjekt, ist bereits teilweise Heim für ein Klientel von Menschen, die es sich viel kosten lassen, in einem alten Nazi-Super-Bau zu wohnen.
Was hier vor sich geht, ist so schön beispielhaft für den Kurs, den unsere Gesellschaft aktuell vertritt. Was einmal war, verliert an Bedeutung und die alte Tapete wird einfach übermalt, im Glauben so die Geschichte vergessen zu können. Doch wo einst der Faschismus seine Metastasen ausbildete, treibt nun der Kapitalismus als Krebs unserer Zeit sein Unwesen.
Nach einer 2-stündigen Führung über das Gelände, die Teil des Festivalangebots war, ließ mich diese unwirkliche Szenerie nachdenklich zurück. Das Museum werde wohl nächstes Jahr auch dem Raubbau zum Opfer fallen, eine Ausweichfläche ist noch nicht fest in Sicht.